Joshua Luft Keine Kommentare

Saarbrücken, 1. September 2023 – In turbulenten Zeiten wie diesen sind Krisen das „New Normal“ und Unternehmer müssen sich fast täglich neuen Herausforderungen stellen. Auch der globale M&A-Markt reagiert empfindlich auf Krisen und Konjunkturschwankungen. Investoren reagieren vorsichtiger, steigende Zinsen und höhere Risikoprämien wirken bremsend auf die Finanzierung von Transaktionen. Doch was bedeutet dies nun speziell für die IT-Branche? Haben Verkäufer mittelständischer IT-Internehmen nach wie vor eine Chance, in den M&A-Markt einzusteigen? Oder müssen sie nun lange auf den nächsten Aufschwung warten?

Sicher ist derzeit nur, dass nichts sicher ist“, so der langjährige M&A-Berater Ralf Heib, Gründer und Geschäftsführer der Firma match.IT. „Krisen sind für den M&A-Markt das New Normal.“ Doch könnten durchaus Lehren aus der jüngsten Vergangenheit gezogen werden. „Große Deals wurden bei schwierigeren Rahmenbedingungen sehr häufig und auch schnell gestoppt. Transaktionen im KMU-Bereich, also im sogenannten Small- und MidCap-Markt, verhalten sich hingegen deutlich resilienter gegenüber der Krise.“ Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass dem eine lange Phase des Wachstums und der Stabilität voraus gingen. So hat es gerade nach dem ersten Corona-Schock eine ungewöhnlich hohe Nachfrage nach IT-Unternehmen gegeben. Der Verkäufermarkt dominierte das M&A-Geschehen. Aktuell findet das Käufer/Verkäufer-Verhältnis wieder zu einer stärkeren Balance zurück.
Digitalisierung weiterhin starker Nachfragetreiber

Legt man den M&A-Fokus auf die Digitalbranche, so sorgt dort weiterhin der Megatrend Digitalisierung für durchaus stabile Nachfrageverhältnisse. „Potentielle Verkäufer sollten allerdings im Hinterkopf behalten, dass die Käufer vorsichtiger geworden sind und Multiples noch genauer bewerten“, betont Ralf Heib. „Sie müssen sich deshalb gezielt auf den Verkaufsprozess vorbereiten – am besten mit einer auf die Käufergruppe abgestimmten Verkaufsstrategie.“

Flexibilität zahlt sich gerade in Krisenzeiten aus

Die danach anstehenden Phasen der direkten Verkaufssituation sind dann etwas heikler. Verkäufer sollten sich kompromissbereit zeigen, wenn ein Käufer bspw. ein Risiko-Sharing verlangt. Flexibilität wird wichtig, wenn es um Preisstrukturen geht, um die Abbildung variabler Preise, sogenannter Earn-out-Komponenten, mit denen die Position des Verkäufers und Käufers bei Bedarf ausbalanciert werden kann. „Stimmt die Story und Positionierung des Unternehmens und zeigt sich der Verkäufer an den entscheidenden Stellen flexibel, dann sind die Verkaufschancen womöglich sogar noch höher als in den letzten drei Jahren, da die Käufer aktuell den Markt gezielt nach „Perlen“ absuchen“, so M&A-Experte Ralf Heib.

Die Liste potentieller Käufer

Berücksichtigt werden sollten dabei die fünf wichtigsten Investorentypen am derzeitigen M&A-Markt. Da wäre zunächst auch das eigene Management. Hier fehlt es aber häufig an geeigneten internen Kandidaten, zumal interne Übernahmen meist nur bei kleineren Unternehmen mit geringem Finanzierungsvolumen zustande kommen. Ein Management-Buy-in durch externe Kandidaten mit entsprechendem Kapital in der Hinterhand kann jedoch durchaus eine relevante Alternative sein.

Mit 75-80% sind die strategischen Investoren (aus der eigenen Branche) die dominanteste Käufergruppe für mittelständische IT-Unternehmen. Dies können sowohl nationale als auch internationale Investoren sein. Bei beiden steht die Integrationsstrategie im Vordergrund, also die Antwort auf die Frage, wie das Unternehmen nach dem Kauf in die bestehende Gruppe des Käufers integriert werden soll.
Auch für Investoren außerhalb der eigenen Branche werden IT-Unternehmen zunehmend attraktiver. Hier wirkt die Digitalisierung als starker Nachfragetreiber. „Zumindest in der frühen Phase lohnt es sich, diese Optionen über die eigene Kernbranche hinweg näher in Betracht zu ziehen“, rät Ralf Heib.

Auch Private Equity-Gesellschaften, also Investoren, die Kapital aus Beteiligungsfonds investieren, drängen seit der Corona-Krise massiv in den IT-Markt. „Wer hier richtig sucht, findet mittlerweile auch sehr qualifizierte, auf die IT-Branche ausgerichtete Beteiligungsgeber“, so Ralf Heib. „Wir von match.IT raten unseren Mandanten deshalb immer zu einem Sondierungsgespräch. Bei der Gelegenheit erfährt man dann auch, wie das eigene Unternehmen aus Sicht der Finanzinvestoren wahrgenommen und bewertet wird.“
Eine weitere attraktive Option für den IT-Mittelstand sind sogenannte Family Offices, die in der Regel private Großvermögen verwalten. Sie sind auf der einen Seite Finanzinvestoren, grenzen sich aber von den Private Equities dadurch ab, dass sie eine längerfristige Haltedauer haben, das heißt, sie verfolgen im Regelfall keine Exit-Orientierung. Der Druck, den Unternehmenswert binnen kürzester Zeit zu steigern, herrscht dort also nur bedingt. Dafür muss von Anfang an eine deutliche Profitabilität und Stabilität eines Unternehmens gegeben sein, damit ein Familiy Office überhaupt investiert.

Dreistufiges Vorgehensmodell für M&A-Projekte im IT-Sektor

Laut den Experten von match.IT lässt sich der Unternehmensverkauf in drei Phasen unterteilen: Die Strategie- und Suchphase, die Verhandlungsphase und die Integrationsphase. Die erste Phase umfasst die Verkaufsstrategie. Hier wird die Story für den Marktangang entworfen und der Business-Plan abgestimmt. Dazu gehören auch entsprechende Dokumente, wie etwa der Teaser (anonyme Kurzbeschreibung), sowie das Exposé, das einen umfassenderen Einblick in das Unternehmen gewährt; zuletzt die Long List mit den Investoren, die im Hinblick auf ein mögliches Kaufinteresse kontaktiert werden sollen. Ergebnis der Suchphase ist dann eine Short List mit denjenigen Investorenkandidaten, mit denen konkrete Verhandlungsgespräche geführt werden sollen.

Die Verhandlungsphase beinhaltet zunächst das Durchführen von Management-Präsentationen gegenüber den Investoren. Zu einem definierten Meilenstein werden diese Investorenkandidaten dann aufgefordert, erste indikativen Angebote abzugeben, aus denen die Unternehmensbewertung, die geplante Preis- und Transaktionsstruktur sowie die angestrebte Integrationsstrategie hervorgehen. Anschließend wählt der Verkäufer das Angebot aus, das seiner Meinung nach am besten ist, und beginnt in der Regel auf der Grundlage eines Vorvertrags (Letter of Intent) einen exklusiven Verhandlungsprozess mit dem ausgewählten Unternehmen. An dessen Anfang steht mit der Due Diligence eine intensive Prüfung der Unternehmenssituation aus den unterschiedlichen Perspektiven (Commercial, Financial, Legal, Tax, Governance etc.). Dem folgt die Verhandlung des Kaufvertrages mit der finalen Unterschrift und dem Übergang der Eigentumsverhältnisse (Signing and Closing).
Bereits mit der Verhandlungsphase beginnt der fließende Übergang zur Integrationsphase. In dieser dritten Phase geht es dann um die Integration des verkauften Unternehmens in die bestehende Unternehmenslandschaft des Käufers. Hierzu wird ein Masterplan erarbeitet, der die Kommunikation sowohl zu den Mitarbeiter*innen als auch den Geschäftspartnern miteinschließt und einen besonderen Fokus auf das Change- und Culture-Management legt. Inwieweit der Integrationsplan fortschreitet, muss dann regelmäßig kontrolliert und gesteuert werden (Tracking & Controlling).

Preis ist nicht gleich Preis

Wenn Verkäufer mehrere indikative Angebote erhalten haben, sollten sie diese genau prüfen. Hier gilt die Regel: Preis ist nicht gleich Preis. Wie setzt sich also die angebotene Preisstruktur im Einzelnen zusammen? Wie hoch liegt der Festpreis, also das, was direkt ausgezahlt wird? Gelten variable Preise, sogenannte Earn-Outs? Für welche Zeiträume werden diese definiert? Auf welcher Basis wurden die Zielgrößen erstellt? Und kann ich als Verkäufer diese Zielgrößen noch beeinflussen? Darüber hinaus gibt es noch etliche weitere Optionen zu berücksichtigen, etwa wenn der Eigentümer nach dem Verkauf noch weiter an Bord bleibt. Welches Gehaltspaket ist für ihn vorgesehen? Und wem gehört das überschüssige Cash im Unternehmen (cash and dept free-Klausel)? Erhält es der Verkäufer oder gehört es in Teilen schon dem Käufer? Wie sieht es mit Gewährleistungen und Garantie-Einbehalten aus? All diese Fragen müssen bei der angegebenen Preisstruktur berücksichtigt werden.

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