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Wie gestaltet sich der M&A-Markt im IT-Sektor bei Krisen und Konjunkturschwankungen? Sind Investoren vorsichtiger, wirken steigende Zinsen und höhere Risikoprämien bremsend auf die Finanzierung von Transaktionen? Was bedeutet dies speziell für die IT-Branche? Haben Verkäufer mittelständischer IT-Unternehmen nach wie vor eine Chance, in den M&A-Markt einzusteigen? Wir sprachen mit BITMi-Mitglied Ralf Heib, dem Gründer und Geschäftsführer der match.IT GmbH.

Herr Heib, ihr Unternehmen match.IT berät insbesondere mittelständische IT-Unternehmen, die einen Verkauf in Erwägung ziehen. Aktuell herrscht allgemeine Krisenstimmung an den Märkten. Verkäufer befürchten niedrige Preise und Schnäppchenjäger. Manche ziehen sich komplett vom M&A-Markt zurück, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Als M&A-Berater für die Digitalbranche verfolgen Sie das Auf und Ab des Marktes schon seit vielen Jahren und haben sogar während der Corona-Hochphase erfolgreiche Verkäufe eingefädelt. Wie ist ihre Einschätzung der derzeitigen Lage?

Ralf Heib: Die Corona-Krise war noch nicht mal beendet da folgte schon der Ukraine Krieg. Dazu die Klima- und Energiekrise, Rohstoff- und Lieferkettenengpässe, jetzt die Inflation. Mittlerweile kann man also durchaus davon sprechen, dass Krisen das New Normal darstellen und die Menschheit und somit natürlich auch die globalen Märkte einen Umgang damit finden sollten. Der M&A-Markt hat hier schon eine gewisse Robustheit entwickelt und der Einbruch zum Ukraine-Krieg war dann schon nicht mehr ganz so stark wie etwa zu Zeiten der Corona-Hochphase. Wir dürfen speziell für den IT-Bereich nicht vergessen, dass der Megatrend der Digitalisierung nach wie vor ungebrochen ist und immer wieder neue Nachfragetreiber daraus entwachsen, wie zuletzt im Bereich Cybersecurity oder Green IT. Das M&A-Geschehen gerade im IT-Mittelstand ist also nach wie vor vital. Allerdings findet das Käufer/Verkäufer-Verhältnis aktuell zu einer stärkeren Balance zurück. Käufer sondieren ihre Targets wieder genauer als noch zu den Boom-Zeiten in den letzten Jahren. Die Stabilität und die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells spielen dabei wieder eine stärkere Rolle – und das beeinflusst dann wiederum auch stark die Phase der Due-Diligence, in der die Investoren das zu verkaufende Unternehmen kritisch unter die Lupe nehmen.

Was raten Sie also mittelständischen Unternehmer*innen, die zu den jetzigen Zeiten einen Verkauf anstreben? Gibt es so etwas wie ein allgemeines Erfolgsrezept, an das sich alle halten können?

Ralf Heib: Wer heutzutage sein IT-Unternehmen erfolgreich verkaufen will, benötigt eine gute Verkaufsstory, beruhend auf einer klaren, zukunftsfähigen Vision, gepaart mit einem realistischen, nachvollziehbaren Business-Plan. Eine M&A-Transaktion hat darüber hinaus immer sehr viel mit konkreten Zahlen zu tun: Verkäufer müssen ihre eigenen Zahlen beherrschen und verstehen, wie sie die Profitabilität ihres Unternehmen gegenüber den Käufern transparent machen. Dazu gehören auch saubere Bilanzen und GuV-Rechnungen.

Ist das nicht immer der Fall?

Ralf Heib: Wir erleben häufig die Situation, dass gerade kleinere Unternehmen sehr steueroptimierend agieren und dann natürlich keine beeindruckende Profitabilität in den Büchern vorweisen können. Hier bedarf es dann guter Argumente gegenüber dem Käufer, am besten mithilfe des Steuerberaters. Es lohnt sich darüber hinaus auch immer, im Vorfeld einer Transaktion soweit es geht aufzuräumen. Einige Mitarbeiter verfügen vielleicht noch über kleinere Anteile, die sich bündeln lassen. Nicht selten ist die Bilanz auch verwildert durch verschiedene Gesellschafterkredite oder Pensionsverpflichtungen. Auch dies sollte idealerweise vorab bereinigt werden. Während einer Transaktion können solche Punkte ansonsten zu langen, unbefriedigenden Diskussionen führen.

Sie meinten, die Story müsse in der heutigen Zeit stimmen. Was genau verstehen Sie darunter?

Ralf Heib: Verkauft wird am Ende immer die Zukunft eines Unternehmens, nicht die Vergangenheit. Deshalb ist es wichtig, die Motivationslage des Verhandlungspartners zu verstehen und die eigene Story daraufhin auszurichten. Im Vorfeld sollte man sich deshalb genau fragen: Wer sitzt mir gegenüber? Was sind dessen Ziele? Wie tickt bspw. ein Private Equity oder ein strategischer Investor? Was erwartet der potentielle Käufer und was nicht?  Dazu zählen auch ganz handfeste Faktoren.

Die da wären?

Ralf Heib: Gerade für kleinere Unternehmen ist es wichtig, den potentiellen Käufern vom Start weg eine überlebensfähige Organisation aufzuzeigen. Überlebensfähig in dem Sinne, dass z.B. ein mittleres Management existiert. Selbstverständlich müssen auch gewisse Standards wie etwa definierte Geschäftsprozesse und etablierte Vertriebsstrukturen gegeben sein. Den Interessenten sollte klar werden, dass die Abläufe auch ohne den Gründer und nach dem Verkauf reibungslos ineinandergreifen.

In jedem M&A-Projekt geht es letztendlich um die Wertermittlung des Unternehmens. Diese Etappe kann vor allem aus Verkäufersicht sehr zermürbend sein. Was raten Sie hier Ihren Klienten?

Ralf Heib: Hier ist zunächst eine gute Vorbereitung gefragt, in dem ich als Eigentümer die Werttreiber meines Unternehmens gut kenne und in meiner Vision und Verkaufsstrategie richtig positioniere. Im Verhandlungsprozess selbst ist vor allem Flexibilität gefragt. Insbesondere, wenn es um Preise oder Earn Outs geht. Bei zu starren oder auch überzogenen Preisvorstellungen rennen Verkäufer häufig gegen Wände. In den aktuellen Krisenzeiten ist es zudem entscheidend, den Such- und Verkaufsprozess strukturiert aufzusetzen und durchzuführen. Verkäufer sollten sich ein klares Bild davon machen, mit welchen Mitteln und in welchem Zeitraum sie den Verkauf realisieren wollen. Ich kann mich in der heutigen Zeit nicht mehr darauf verlassen, dass schon morgen ein Investor an meiner Tür klopft und mir ein lukratives Angebot vorlegt. Deshalb muss man als Verkäufer proaktiv sein und sich die Verkaufschancen selbst erarbeiten, am besten, indem man den M&A-Prozess so gewissenhaft und professionell wie möglich angeht.

Herr Heib, wir bedanken und ganz herzlich für das informative Gespräch!

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