Lisa Ehrentraut Keine Kommentare

Der Softwaremarkt ist hart umkämpft und wird zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung von einigen wenigen, ganz großen Playern dominiert. Doch die Realität in Deutschland sieht zum Glück anders aus: Es gibt viele kleine und mittelständische Software Hersteller, die mit ihren Produkten sehr erfolgreich – ja sogar oft Weltmarktführer – sind. Wie schaffen sie das in Konkurrenz zu den allgegenwärtigen Konzernen?

Das Erfolgsrezept der meisten mittelständischen Softwareunternehmen ist ihre Expertise in einem klar eingegrenzten Bereich. Häufig sind sie mit ihren Produkten und Dienstleistungen entweder auf eine bestimmte Branche oder eine konkrete Funktionalität spezialisiert. In diesem Bereich verfügen sie über tiefgreifendes Wissen, langjährige Erfahrung und engen Kontakt zu den Anwenderunternehmen. So gewinnen spezialisierte Unternehmen sehr häufig gegen Allround-Produkte der großen Hersteller, die im Gegensatz zu ihnen zwar fast alle Branchen bedienen und unzählige Funktionen anbieten, damit aber niemals die Kundenbedürfnisse so genau treffen können. Denn die Lösungen des Mittelstands sind aufgrund ihrer Spezialisierung perfekt auf die Bedürfnisse der Anwender zugeschnitten.

Wider besseres Wissen entscheiden sich zahlreiche Anwenderunternehmen für generalisierte Standardlösungen von Großanbietern, statt auf speziell für die Anforderungen angepassten Lösungen zu setzen. Warum tun sie das, auch wenn sie dann entweder ihre eigenen Prozesse der Software anpassen müssen oder aber die Software kostenpflichtig angepasst werden muss?

Kunden ist es wichtig, dass die gesamte im Unternehmen eingesetzte Software problemlos miteinander arbeitet. Wenn es Lösungen von vielen verschiedenen Anbietern gibt, kann es immer wieder zu Problemen kommen, beispielsweise wenn bei einem Produkt ein Update ansteht und es anschließend nicht mehr reibungslos mit den anderen Produkten kommuniziert. Dazu kommt, dass der Anwender nicht nur einen Ansprechpartner bei Softwareproblemen hat. Er muss sich immer an das zuständige Unternehmen wenden – eine Unterscheidung, die für ihn vor allem in technikfernen Branchen nicht immer offensichtlich ist.

Eine mögliche Antwort der kleinen und mittelständischen Softwareunternehmen auf diesen Nachteil ist der Zusammenschluss mit gleichgesinnten Unternehmen. In sogenannten Konsortien können Anbieter unterschiedlichster Software ihre Produkte miteinander verbinden, sodass der Kunde am Ende den Vorteil aus beiden Anbietersituationen genießen kann: Er bekommt ein Produkt, welches aufgrund seiner spezialisierten Teilprodukte perfekt zu seinen Bedürfnissen passt. Gleichzeitig muss er sich nicht um verschiedene Anbieter kümmern, denn das (Kombi)Produkt des Konsortiums wirkt für ihn nach außen hin wie ein einziges Produkt mit einem einzigen Ansprechpartner. So entsteht eine Win-Win Situation: Mittelständische Softwareunternehmen erstarken in Konkurrenz zu den Konzernen und der Anwender muss nicht auf den Komfort eines einfachen, sicheren Software-Handlings verzichten, während dieser die Vorteile einer harmonisierten Speziallösungen genießen kann.

Diesen Weg ist auch die Prodatic-EDV-Konzepte GmbH gegangen. Senior Sales Manager Armin Leitner berichtet hier von der Umsetzung und Erfahrung in einem Software Konsortium:

 

Ausgangssituation

  1. Was bieten Sie an?

Die gemeinsame Produktlösung unseres Konsortiums heißt ERP2OXID. Es ist eine schlüsselfertige All-in-One Lösung, die unsere ERP Software, einen B2B Online-Shop, ein Dokumenten Management System sowie eine professionelle Finanzbuchhaltung beinhaltet. Inkludiert sind Dienstleistungen im Bereich der Prozessanalyse, Implementierung sowie kostenlose Updates und Wartung. Unsere Produktlösung repräsentiert also etwas, dass fast jedes Unternehmen im Einsatz hat – allerdings oft als Insellösungen. Dadurch entstehen häufig Probleme, sei es durch unterschiedliche Schnittstellen oder bei Updates. So ein Ablauf ist dann selten reibungslos. Dieses Problem umgehen unsere Kunden mit ERP2OXID, da wir bereits im Vorfeld alle Systeme aufeinander abgestimmt und zu einer Gesamtlösung harmonisiert haben.

  1. Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, mit anderen IT-Unternehmen ein Konsortium einzugehen?

 Generell ist es so, dass der Softwaremarkt sehr flexibel und agil ist – und wir als Hersteller schnell auf wechselnde Bedürfnisse unserer Kunden reagieren müssen. Irgendwann ist allerdings ein Punkt erreicht, an dem es einfach sinnvoll ist, einen Partner in eine Gesamtlösung zu involvieren, der ein erforderliches Produkt bereits auf einer breiten Basis erfolgreich entwickelt und vermarktet. Dadurch sind wir in der Lage, schnell und effizient auf Kundenwünsche und Anforderungen zu reagieren und kamen so zu der Entscheidung, innerhalb eines Konsortiums mit mehreren Unternehmen eine umfangreiche Unternehmenssoftwarelösung zu initiieren.

  1. Haben Sie bereits vorher von ähnlichen Konsortien gehört?

Nein, die Idee entstand bei uns allein aus dem Antrieb heraus, dem Markt eine schlüsselfertige Unternehmenssoftware als ein sorgenfreies All-in-One Produkt anzubieten.

 

Umsetzung

  1. Wie haben Sie Ihre Kooperationspartner gefunden?

 Wir kennen alle beteiligten Partner bereits seit vielen Jahren aus einzelnen Vorprojekten, die wir in unterschiedlichen Konstellationen bewältigt haben. So ist über die Zeit eine enorme Wissens- und Vertrauensbasis gewachsen. Zwei unserer Partner sind ja wie wir Mitglied im Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi). Das verbindet. Und an dem Dritten im Bunde arbeiten wir.

  1. Wer sind Ihre Partner?

Die beteiligten Partnerunternehmen des Konsortiums sind die OXID eSales AG, die Diamant Software GmbH und die DocuWare AG. Diese Konstellation kam dadurch zustande, dass sich unsere Produkte und Ausrichtungen hervorragend ergänzen und die Unternehmen in ihren Segmenten zu den Marktführern gehören. Weitere Kriterien bei der Partnerauswahl für ERP2OXID waren, dass jedes involvierte Softwareprodukt über eine breite Installationsbasis verfügt und die Entwicklung sowie der Support in Deutschland stattfindet.

  1. Gab es Hürden in der Umsetzung? Wenn ja, welche?

In einem Konsortium braucht es ganz klar jemanden, der den Karren anschiebt. Derjenige, der die ursprüngliche Idee hat, muss die Partner überzeugen, Vorarbeit zu leisten. In unserem Fall war die Idee so gut, da waren nur wenige Gespräche für ein grundsätzliches „Ja“ notwendig. Deutlich aufwendiger war die Synchronisierung der Entwicklungsabteilung. Das hat etwas mehr Zeit in Anspruch genommen, war aber wichtig und notwendig damit jedem Beteiligten klar ist, worum es bei der Lösung geht und was wir erreichen möchten. Zum Glück hat auch das ohne Konflikte funktioniert. Der Schlüssel zum Erfolg in einem Konsortium liegt für uns somit darin, klar zu verteilen, wer die Verantwortung trägt und antreibt.

  1. Wie lange dauerte es von der der ersten Idee über Umsetzung bis zum Angebot am Markt?

 Da wir unsere Partner bereits sehr gut kannten und alle relevanten Akteure für die ERP2OXID Lösung von Beginn an mit am Tisch saßen, ging es bei uns recht schnell mit der Umsetzung. Unsere ersten Gespräche hierzu begannen Ende 2017, Anfang Februar 2018 hatten wir unser erstes Meeting. Zentrale Themen hierbei waren eine nachhaltige und performante Umsetzung über Unternehmensgrenzen hinweg. Bereits bei der Entwicklung haben wir uns ganz bewusst für zwei Betriebsformen und drei definierte Leistungsstufen entschieden. Unsere Kunden sollten künftig zwischen einer klassischen On Premise Installation und einer hoch performanten Cloud Variante entscheiden können. Das war uns in Sachen Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit sehr wichtig. Nach rund vier Monaten, Mitte Juni 2018, konnten wir die erste Version von ERP2OXID einem breiten Fachpublikum in Freiburg vorstellen.

Das zeigt: Wenn alle an einem Strang ziehen, kann es sehr schnell gehen.

  1. Wie viel Mehraufwand hat das Konsortium für Sie bedeutet?

 In der Anfangsphase waren es für mich als treibende Organisationskraft auf Seiten von Prodatic rund 50% Mehrarbeit. Jetzt wo alle Rahmenbedingungen stehen, konzentrieren wir uns verstärkt auf den Vertrieb. Diese Arbeit wird im ersten Halbjahr durch uns und die OXID eSales AG vorangetrieben. Im Jahresverlauf werden wir die Aktivitäten durch unsere Partner weiter ausbauen und verstärken.

  1. Wie haben Ihre Kollegen auf die neue Situation reagiert?

 Alle waren von Anfang an sehr erwartungsvoll. Jeder kannte die Produkte der anderen Unternehmen natürlich aus den gemeinsamen Projekten. Allerdings hatten viele zu Beginn keine exakte Vorstellung davon, wie so eine intensive Zusammenarbeit über mehrere Unternehmen aussehen kann. Der einzige Weg die Kollegen mitzunehmen war, die nachvollziehbare Story in der laufenden Projektarbeit mit Leben zu füllen und geplante Ergebnisse zu erzielen. Nachdem wir eine unternehmensübergreifende Idee zu einer fertigen ERP-Commerce Lösung entwickelt haben, sind alle Kollegen im Boot und begeistert von unserem Konsortium und der gemeinsamen Arbeit.

 

Ergebnis 

  1. Wie reagieren die Anwender auf Ihre gemeinsame Lösung?

 Kunden wissen natürlich, dass es eine gemeinsame Lösung ist, die aus vier Software- Komponenten von vier Herstellern besteht. Das kommunizieren wir auch so. Der eigentliche Wow-Effekt entsteht allerdings durch die erlebbare Harmonisierung zu einer Gesamtlösung, die von der Planung, Implementierung, dem Service sowie der Wartung alles beinhaltet und aus einer Hand geliefert wird. Viele Unternehmen geben die Verantwortung für die Auswahl des richtigen Systems oft an nur eine oder zwei Personen einer Fachabteilung ab. Diese Mitarbeiter haben dann die Aufgabe, unzählige Anforderungen und Wünsche aller relevanten Abteilungen einer Unternehmensstruktur zu sammeln, aufzubereiten und mit technischen Anforderungen auszuformulieren. Damit müssen sie sich dann einem Markt stellen, der mit mehreren hundert Softwarelösungen und noch mehr Fragen aufwartet. Das geht oft schief und mündet in der Nichterfüllung von Erwartungen, die sich zwangsläufig auch monetär auswirken, und für lange Sales Cycle sorgen. Wir wollen mit ERP2OXID diese Zeiträume bis zu einer Entscheidung massiv reduzieren und bieten unseren Kunden spezialisiertes Know-How in allen vier Bereichen an. Flankiert wird das Gesamtpaket durch eine feste Kalkulationsgrundlage sowie ein sicheres Gefühl bei der Auswahl der passenden Lösung.

Kurzum: eine schlüsselfertige Lösung für alle, die sich keine Sorgen bei der Einführung einer umfassenden Unternehmenssoftware machen möchten.

  1. Wie vertreiben Sie Ihr gemeinsames Produkt?

Die vertrieblichen Aktivitäten werden derzeit primär über die Prodatic GmbH und die OXID eSales AG durchgeführt. Im Jahresverlauf werden die Kapazitäten durch weitere Partner ausgebaut. Parallel arbeiten wir an unserem neuen Partnerprogramm, das interessierten Systemhäusern und Dienstleistern die Möglichkeit gibt, Ihr Produktportfolio zu erweitern und gemeinsam mit uns als Konsortium neue Kunden zu erschließen.

  1. Gibt es etwas, dass Sie bei der Entstehung oder in der Zusammenarbeit im Konsortium überrascht hat?

Gedanklich waren alle Beteiligten sehr schnell und voll dabei. Als es allerdings an die reine Umsetzung ging, war ich persönlich von der sich stetig aufbauenden Gruppendynamik sehr überrascht und zugleich beeindruckt. Es war schön zu sehen, wie sehr man sich innerhalb des Konsortiums auf das Ziel fokussiert hat und positive Zwischenergebnisse zu noch mehr Engagement geführt haben. Im Ergebnis haben wir als Team eine terminliche Punktlandung hingelegt und sind sehr stolz über die gemeinsam erreichte Leistung und unseren Zusammenhalt.

 

Ausblick

  1. Sie kennen jetzt die Angebote des KIW. Als wie bedarfsorientiert und praxisnah bewerten Sie die Angebote?

Das tun wir, richtig. Und wir nutzen sie. Schaut man sich als Beispiel die rasante Weiterentwicklung von Technologien aller Art an, die Fülle an technischen Innovationen, deren Vielfalt und Möglichkeiten, die einen fast täglich aufs Neue faszinieren – allein ist das kaum zu filtern. Der Bedarf, eine zentrale Plattform für den IT-Mittelstand zu nutzen, die hochwertiges Know-How zur Verfügung stellt, wertvolle Inhalte kommuniziert und Menschen aus den unterschiedlichsten Unternehmen die Gelegenheit gibt sich zu vernetzen, ist mehr als gegeben. Das gilt für herstellende Unternehmen untereinander, aber eben auch für Unternehmen, die auf der Suche nach Informationen und Produktlösungen sind. Denn oft kommen hervorragende Ergebnisse leider nicht bei jedem an.

Ein praxisnaher Ansatz des KIW ist aus meiner Sicht bereits darin bereits bestätigt, sich nicht nur mit den Themen Forschung- und Entwicklung als solches zu beschäftigen, sondern die Ergebnisse mit anderen Hidden Champions zu teilen, die Vernetzung intelligent und strategisch zu forcieren und Konsortien zu fördern.

  1. Was empfehlen Sie anderen IT-Unternehmen im Hinblick auf kooperative Geschäftsmodelle und die Zukunftsfähigkeit des IT-Mittelstands?

Miteinander sprechen! Vieles beginnt ja schon einfach nicht, weil die Leute sich nicht ansprechen. Wenn es nicht passt, ist es nicht schlimm. Man muss sich nur trauen – und Ergebnisse aus solchen Kontakten neutral verwenden. Meiner Meinung nach wird die Zukunftsfähigkeit von IT-Unternehmen durch gemeinsam formulierte Ziele, Ambitionen sowie das Know-How, das sie vermitteln, geprägt sein. Partnerschaften und Synergien werden in einem sich immer schneller entwickelnden Marktumfeld deutlich mehr an Bedeutung gewinnen.

Wir haben uns bereits vor vielen Jahren darauf eingestellt, dass Kunden eine Lösung nicht nach einzelnen Komponenten, sondern eine reibungslos funktionierende und integrierte Gesamtlösung, und somit die Summe aller Teile, bewerten. Deswegen sehe ich im Bereich kooperative Geschäftsmodelle die größte Chance für den IT-Mittelstand, gemeinsam und langfristig an einer positiven Marktentwicklung zu partizipieren.

 

Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum IT-Wirtschaft (KIW) unterstützt aktiv die Bildung von Software Konsortien. Mit verschiedenen Angeboten werden interessierte IT-Unternehmen an der Stelle des Prozesses abgeholt, an der sie sich befinden – sei es am Anfang bei der Suche nach Partnern oder etwa schon in einem funktionierenden Konsortium, welches vielleicht nach neuen Innovationen sucht. Von Matchingangeboten, über Unterstützung beim Aufsetzen von Kooperationsverträgen zu Schnittstellen oder Technologie Foresight ist für jedes Unternehmen etwas dabei. Dank der Förderinitiative „Mittelstand Digital“ des Bundeswirtschaftsministeriums sind all unsere Angebote kostenfrei. Kommen Sie auf uns zu und sprechen Sie uns an!

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